Bayerns oberster Feuerwehrinspektor war anfangs nicht recht zufrieden mit der Leistung seiner Floriansjünger: „Gar oft bilden sich Feuerwehren auf dem Lande, die vom besten Willen beseelt sind, denen aber die rechte Unterweisung im Uebungsdienst fehlt“, stellte Ludwig Jung 1870 fest.
Also verfasste der aus dem Versicherungswesen stammende Münchner ein Übungsbuch, inklusive Einweisung in Löschmaschinentechnik, der Handhabung von Leitern, Schläuchen und weiteren „Requisiten“ sowie mit genauem „Exercir-Reglement“ für den Landfeuerwehrmann.
Die altdeutsche Unterschrift des „Vaters der bayerischen Feuerwehren“ ziert auch eine Urkunde vom 1. Januar 1899, die der Feuerwehr Werneck bestätigt, dass sie am 1. Juni 1873 gegründet und in die Grundliste des Bayerischen Feuerwehrverbands eingetragen worden ist. Gelöscht wurde damals „Unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Königlichen Hoheit des Prinz-Regenten Luitpold von Bayern“.
Außer Ludwig Jung, in seiner Funktion als Vorsitzender des Landes-Feuerwehrausschusses, unterzeichnete dessen Schriftführer Johann Droßbach mit weißblauem Wappen. Da war Jung schon 30 Jahre lang Vorsitzender des am 13. April 1868 im fränkischen Gunzenhausen gegründeten Landesfeuerwehrverbands.
Die Freiwilligenbewegung hatte sich zum „Flächenbrand“ entwickelt und königlich-bayerische Anerkennung gefunden. Der hochgeehrte Verbandsvorsitzende verblich 1906 in Feldafing am Starnberger See. Während seiner Amtszeit war die Zahl der Feuerwehren von 215 auf rund 7500 gestiegen, plus eigener „Zeitung für Feuerlöschwesen“.
Seitdem ist viel Wasser durch die Schläuche geflossen, auch in der modern ausgestatteten Wernecker Wehr mit ihren über 110 Mitgliedern. Im Rahmen eines Kameradschaftsabends wurde das ideell wertvolle Dokument nun an Kommandant Thomas Baucke sowie Vereinsvorsitzendem Stefan Hein übergeben. Wiedergefunden hat es Martina Avdeev, Kommandantin der Feuerwehr Büchold, beim Stöbern auf dem Dachboden in Werneck. Bei der Übergab dabei waren ihre Schwester Isabel Schaub, die Vereinsvorsitzende der Bücholder Wehr ist, sowie ihr sechs Wochen alter Zwilling.
„Wir beide sind die einzigen Frauen in der Bücholder Feuerwehr“, sagt Avdeev. Eine bayrische Feuerwehrfrau in Kommandanten-Uniform und mit Doppelkinderwagen hätte vermutlich noch jenseits der Vorstellungskraft des Königlichen Rats Ludwig Jung gelegen. Bei der Auflösung des Großelternhauses des später abgebrochenen Anwesens Merk am Rathaus kam jedenfalls die von ihm unterzeichnete Gründungsurkunde zutage. Zuletzt gesichtet worden war sie vor 50 Jahren.
„Die Feuerwehr hat sich früher immer in der Brauereigaststätte getroffen“, weiß Stefan Hein. Vermutlich bei einer Renovierung wurde die Urkunde abgehängt und offenbar durch den Vizekommandanten Karl Strasser, einem Bruder der Uroma von Martina Avdeev, verwahrt.
Auch nach einem halben Jahrhundert noch nicht wiederaufgetaucht ist ein historischer Wimpel. „Für Hinweise sind wir sehr dankbar“, sagt Hein. Bei den findigen Arnsteiner Feuerwehrfrauen bedanken sich die Wernecker nun mit Blumen und einem Gutschein für die Mannschaft.
Die Urkunde selbst hat einen gut sichtbaren Ehrenplatz im Feuerwehrhaus gefunden. Für das über 100 Jahre alte Schriftstück gilt wohl der gleiche Wunsch, wie der, den Ludwig Jung (1835-1906) seinem Lehrbuch von 1870 hintangestellt hat: „Möge es dazu dienen, unsere wackeren Kameraden auf dem Lande fortgesetzt für unsere gute Sache zu begeistern, und dieser immer mehr Bahn zu brechen im Vaterland.“