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Fahrzeug Flashback – RW2

Veröffentlich am: 28.04.2024

Vom Rüstwagen zum Reisewagen

Davon, dass ein Feuerwehrfahrzeug nicht nur dann zum Einsatz kommen muss, wenn es mit Unfällen oder Katastrophen umzugehen gilt, sondern manche Leute sich damit auch einen Lebenstraum verwirklichen und die Welt erkunden, wollen wir in dieser Folge Fahrzeug Flashback erzählen.

Das Fahrzeug, um das es geht, ist der ehemalige Rüstwagen RW2 des Landkreises Schweinfurt, der 30 Jahre bei der Feuerwehr Werneck stationiert war. Bereits Anfang 1986 startete die Planung für die Beschaffung zweier Rüstwagen für den Landkreis Schweinfurt: „Die Feuerwehren müssen in ihrer Arbeit Umdenken, da diese sich mehr und mehr auf technische Hilfeleistungen konzentriere“, gab der damalige KBR Georg Seufert zu bedenken. Zur Unterstützung dieser Arbeit sollte bei den beiden Stützpunkfeuerwehren in Werneck und Gerolzhofen je ein Rüstwagen stationiert werden. Als ausschließlich für technische Einsätze bestimmte, „rollende Werkzeugkiste“ bringt ein Rüstwagen neben Schere und Spreizer allerlei Spezialgerät in den Einsatz, um für alle denkbaren Schadenslagen – im wahrsten Sinne des Wortes – bestens gerüstet zu sein.

Kreisbrandrat Seufert erläutert den Kreisbrandinspektoren Böhnlein, Limbach und Zink die Geräte des Rüstwagens
Kreisbrandrat Seufert erläutert den Kreisbrandinspektoren Böhnlein, Limbach und Zink die Geräte des Rüstwagens

Zumindest für Werneck war das kein ganz neues Konzept, da hier bereits 1979 der neu angeschaffte hydraulische Rettungssatz auf dem LF8-44 verlastet und es so vor allem zur Unterstützung bei technischen Hilfeleistungen eingesetzt wurde. Im März 1988 wurde das fast eine halbe Million D-Mark teure Neufahrzeug, auf Basis eines Mercedes 1222 AF, schließlich in Dienst gestellt. Die geographisch günstige Lage an einem Verkehrsknotenpunkt und die „große und gut funktionierende Mannschaft“ haben damals den Ausschlag gegeben, einen der beiden Rüstwagen in Werneck zu stationieren, erläuterte Kreisbrandrat Seufert bei der Fahrzeugweihe.

In den folgenden Jahren sollte der Rüstwagen zahllose schlimme Unfälle und Schadensereignisse „erleben“ und mit seinen Werkzeugen und Gerätschaften dazu beitragen, Hilfe zu leisten, wenn sie gebraucht wurde. Durch seine besonders umfangreiche technische Ausstattung war das Fahrzeug außerdem ein echter Besuchermagnet bei jedem Ferienspaß, Tag der offenen Tür und Fahrzeugausstellung, wo es gezeigt wurde.

Als Schauobjekt beim Ferienspaß in Werneck 1991
Als Schauobjekt beim Ferienspaß in Werneck 1991

Nach 30 Jahren erfolgte 2018 die planmäßige Ersatzbeschaffung des Rüstwagens durch den Landkreis Schweinfurt. Ein neuer Rüstwagen auf Iveco-Basis wurde in Dienst gestellt und der alte Mercedes wurde ausgemustert. Bevor er jedoch endgültig aus dem Feuerwehrdienst ausschied, konnte er noch für kurze Zeit bei einer anderen Feuerwehr aushelfen. Nachdem der bei der Feuerwehr Rottendorf befindliche Rüstwagen wegen eines technischen Defekts an der Seilwinde für einige Wochen in die Werkstatt musste, stellte der Landkreis Schweinfurt dem Landkreis Würzburg das eben ausgemusterte Fahrzeug zur Überbrückung zur Verfügung. Ab Anfang November 2018 konnte der Mercedes den Kameraden aus Rottendorf so noch für etwa sechs Wochen aushelfen. Danach wurde das Fahrzeug zum Verkauf angeboten und landete so bei seinen heutigen Besitzern Torsten und Ina, die sich damit einen Lebenstraum verwirklichten.

Die letzten Einsatzwochen bei der Feuerwehr Rottendorf
Die letzten Einsatzwochen bei der Feuerwehr Rottendorf

Die beiden wollten schon lange ein eigenes Wohnmobil haben, waren aber mit den angebotenen fertigen Lösungen irgendwie nicht wirklich zufrieden. Ein individueller Ausbau sollte es sein, einen solchen bei einer Firma in Auftrag zu geben kam aber schon alleine aus Kostengründen nicht in Frage. So hätte es sich kaum besser treffen können, als dass ein Kumpel von Torsten ein ähnliches Projekt verfolgte und dieses auf Basis eines ehemaligen Feuerwehr-Rüstwagens auf Mercedes 1222 AF-Fahrgestell realisieren wollte. Als Torsten dann auf den ehemaligen Wernecker Rüstwagen aufmerksam wurde, war die Kaufentscheidung praktisch nur noch Formsache. Die Erstzulassungen der beiden Fahrzeuge unterscheiden sich nur um 14 Tage, die Fahrgestellnummern sind fast identisch.

Danach machten sich Torsten und Ina sofort daran, sich im Fahrzeug ein zweites Zuhause zu schaffen. Sie räumten den Aufbau leer und zimmerten einen einfachen aber funktionalen Innenausbau aus Holz, aufs Dach wanderte zudem eine Photovoltaik-Anlage zur unabhängigen Stromversorgung. Seitdem bauen die beiden Stück für Stück weiter an ihrem Traum und halten das Fahrzeug fit für ihre Touren durch Europa. Bereits über 20.000 km haben Torsten und Ina inzwischen zurückgelegt und dabei einige kuriose und lustige Anekdoten erlebt.

Umbau vom Rüst- zum Reisewagen
Umbau vom Rüst- zum Reisewagen

Trotz der Umrüstung zum zivilen Fahrzeug – Martinshorn und Blaulicht mussten natürlich demontiert bzw. außer Betrieb gesetzt werden – kommt es immer mal wieder vor, dass der Rüstwagen auch heute noch für ein aktives Einsatzfahrzeug gehalten wird. Dann kann es passieren, dass der ehemalige Rüstwagen von der Polizei zur Unterstützung herangezogen werden soll oder vor ihm eine Rettungsgasse gebildet wird. In der Nähe seiner alten Wirkungsstätte, auf der A7 bei Hammelburg, kam einst gar ein Polizist zum Fahrzeug, der es wohl noch von früheren gemeinsamen Einsätzen kannte und fragte nach, ob die Kaffeemaschine noch funktionieren würde und er einen bekommen könne.

Wegen eines Familienbesuchs war Torsten im Umfeld eines großen Feuerwehrfestes in Otterndorf an der Nordsee unterwegs und wurde prompt zum Festplatz und zur dortigen Fahrzeugausstellung durchgewunken. Das Fahrzeug gefiel den Verantwortlichen so gut, dass sie es gerne dortbehalten hätten, da es aber fest für das Familienfrühstück eingeplant war, mussten Torsten und Ina den Platz leider verlassen. Selbst in Schweden erregte der ehemalige Rüstwagen so viel Aufsehen, dass sich beinahe ein ganzes Dorf darum versammelte, unzählige Fotos davon geschossen wurden und Torsten und Ina stundenlang neugierige Fragen beantworteten.

Auch für die Zukunft haben die beiden noch viel vor mit ihrem RW, was inzwischen jedoch für „Reisewagen“ steht. Aktuell wird das originale 5-Gang Getriebe durch ein enger gestuftes 6-Gang Splitgetriebe ersetzt. Zum Jahresende soll dann der teils improvisierte Ausbau im originalen Koffer einem integralen Wohnmobilaufbau weichen. Wir freuen uns, dass unser ehemaliges Fahrzeug so eine tolle Anschlussverwendung gefunden hat und wünschen Torsten und Ina noch viel Freude und viele weitere lustige Anekdoten auf ihren zukünftigen Reisen. Falls der Weg mal an Werneck vorbeiführen sollte, würden wir uns jedenfalls freuen, den Umbau mit eigenen Augen bewundern zu dürfen.

Vielen Dank an Torsten und die Feuerwehr Rottendorf für die Bereitstellung der Fotos.

Bildergalerie: